Mozart Fantasie d-Moll KV397

Mozart komponierte die Fantasie d-Moll vermutlich 1782, vielleicht auch später, und ließ sie unvollendet. Die letzten zehn Takte fügte Maximilian Stadler hinzu.

Vor mir liegt die Partitur der Mozart Fantasie mit Peter Feuchtwangers persönlichen Fingersätzen und Anmerkungen: „Tutte nel cor vi sento” [Elettra] 1781 aus der Oper Idomeneo hat er über den Beginn der Fantasie geschrieben, darunter „Der Hölle Rache kocht in meinem Herzen“, die Arie der Königin der Nacht aus der Zauberflöte, und „Don Giovanni“. Alle genannten Werke bzw. Teile stehen in d-Moll und haben einen ausgeprägten dramatischen Charakter. Es ist interessant, dass Peter Feuchtwanger die Opern anführt und nicht das d-Moll Klavierkonzert oder das Requiem. Wir könnten ein Gedankenexperiment durchführen und uns die Fantasie als eine Opernszene vorstellen: Orchestrale Einleitung, zweiteilige Arie mit Zwischenspielen und Kadenzen. Es wäre interessant zu hören, wie eine gute Sängerin die Melodie des Adagio singt und wie sie nach dem dreitaktigen Orchesterzwischenspiel fortfährt. Doch ist die Komposition der Form nach eine Fantasie im Sinne von Carl Philipp Emanuel Bach mit improvisierendem Charakter und wechselnden Affekten.

Über den drei Formteilen stehen Peter Feuchtwangers Metronomangaben. Er hat alle Pausen und Fermaten sorgfältig markiert. In Takt 28 schreibt er sogar unter die Fermate die Zählzeiten 1-2-3-4 und über die Zählzeit vier eine Fermate. 

Peter Feuchtwanger denkt als Komponist und betrachtet jedes Werk aus dem Blickwinkel des Komponisten. Dieses verdeutlichen Pfeile und Verbindungsbögen, die musikalische Zusammenhänge, Hintergrundlinien und Schichten aufdecken. Beispiel: Von Takt sieben an umkreist Peter Feuchtwanger die linienbildenden Noten in der rechten Hand a1 – g1 – f1- es1 – e1 –  d1 – cis1. Das cis1, fünfte Note in Takt 9 hat er zusätzlich mit einem Pfeil versehen, der zum Basston d1 des neuen Formteils zeigt. Die Linie wird unterbrochen, das cis1 wird quasi alleine gelassen und dann mit der ersten Note des neuen Formteil dem d1 in der linken Hand, wieder aufgegriffen. Im Adagio über Takt 23 schreibt Peter Feuchtwanger ausdrücklich und mit einem Ausrufezeichen versehen „non accelerando“. 

Im Allegretto finden wir in den Takten 55, 57 und 58 jeweils einen kleinen Kreis, bzw. die Zahl Null 0 über den Noten, dies war Feuchtwangers Art, „no accent“ zu notieren. Durch einen Akzent auf der höchsten Note der Phrase, dem h2, und einen auf der zweiten Zählzeit von Takt 58 würde die Linie gestört werden. Es empfiehlt sich, beide Varianten auszuprobieren und herauszufinden, wie sich die Akzente oder Nichtakzente auf die musikalische Linie auswirken. Das Diminuendo-Zeichen – von Feuchtwanger in Takt 67 präzise vom 2. Achtel bis zum 2. Achtel des Folgetaktes gesetzt – unterstützt die Hintergrundlinie a2 – gis2 – g2 und fis2. Das fis2 wird alleine gelassen und in Takt 69 auf der zweiten Takthälfte wieder aufgegriffen.

Es drängt sich der Gedanke auf, die Ausführung sei bis ins letzte Detail geplant, doch ist es das Ziel, die Komposition auf diese Art und Weise zu verinnerlichen. Durch das sorgsame Studium der Partitur spüren wir den Intention des Komponisten nach, um die Fantasie dann so zu wiederzugeben, als ob wir sie gerade erfunden hätten.

Einen Fingersatz, der von der Norm abweicht, finden wir in Takt 12. Die Melodietöne in der zweiten Hälfte des Taktes 12 g2 – f2 – e2 – d2 spielt Peter Feuchtwanger mit dem dritten Finger, um der Melodie einen Portamento Charakter zu geben, eine Anlehnung an den Gesang. Chopin hat ähnliche Fingersätze gelegentlich in seinen Stücken notiert. Von Mozart ist mir kein einziger persönlicher Fingersatz bekannt. Gewöhnungsbedürftig scheinen Peter Feuchtwangers Fingersätze der Sechzehntel-Begleitfiguren in der linken Hand Takt 70 und folgende. Kennen wir seine Technik und hinterfragen die Fingersätze, dann finden wir heraus, dass die innovativen Fingersätze sorgfältig durchdacht sind. Sie helfen, entweder musikalische Ideen zu realisieren, wie in Takt 12, oder fördern, wie in Takt 70 und folgenden, eine natürliche Spielweise. Peter Feuchtwanger hat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Fingersätze geübt werden sollen, beim Spielen aber genommen wird, was kommt, ganz spontan. Mit den Fingersätzen üben wir Bewegungsmuster, haben wir diese erworben, ergibt sich der Fingersatz aus der Bewegung. 

Fazit: Peter Feuchtwanger hat eine klare, schlüssige Auffassung des Werkes und seiner Ausführung und weiß, diese mit wenigen Anmerkungen dem Leser nahezubringen. Das Studium dieser Aufzeichnungen gibt einen Einblick in seine Gedankenwelt und Arbeitsweise. Sehr lohnenswert für jeden Klavierspieler jeden Niveaus.

Ein Buch mit CD mit Peter Feuchtwangers Klavierübungen ist im Handel erhältlich.

Eine Liste mit Pianisten und Pädagogen, die seine Technik weitergeben, ist unter www.peter-feuchtwanger.de zu finden.

Die Peter Feuchtwanger Society (de.peterfeuchtwanger.org) verfügt über ein Archiv mit Aufzeichnungen, Noten, Literatur, Fotos aus dem Nachlass von Peter Feuchtwanger, die nach und nach einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden sollen. 

Am 12. und 13. April veranstaltet die Peter Feuchtwanger Society ein Klaviersymposion in Feuchtwangen. 

Susanne von Laun

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